Götterdämmerung

In der „Götterdämmerung“ erfüllt sich endlich jenes Schicksal, das schon im „Rheingold“ angekündigt wurde. Diese Oper ist mit sechs Stunden Spieldauer inklusive Pausen sehr lang, auch etwas langatmig, wie ich finde, und bedarf daher einer besonders umsichtigen Regie, damit sich die vielen Stunden voller Pathos nicht noch länger anfühlen.

Leider passiert heute genau dies: Das uninspirierte Heruntererzählen der Handlung im sterilen Einheitsbühnenbild ohne nennenswerte szenische Einfälle langweilt einfach nur und markiert für mich leider den Tiefpunkt des Leipziger „Rings“.

Musikalisch weiß der Abend zu gefallen, was vor allem an den großartigen Haupötdarstellern liegt, als da wären die stimmgewaltige, gleichzeitig überaus gefühlvolle Christiane Libor als leidenschaftliche Brünnhilde und Sebastian Pilgrim als düster brütender Hagen, der hier nicht als teuflischer Ränkeschmied erscheint, sondern als gequältes Wesen, das weniger aus Ehrgeiz denn aus Verachtung handelt. Pilgrims kraftvoller Bass hat das für diese Rolle nötige Format; die auffälligen Kieferbewegungen des Sängers vor jedem Einsatz – sie dürften mit den von Pilgrim vertretenen kinesiologischen Prinzipien zusammenhängen – irritieren allerdings leider ziemlich. Thomas Mohr singt und spielt einen respektablen, wenn auch nicht überragenden Siegfried, der sich nicht immer gegen das Orchester durchsetzen kann; Tuomas Pursio verleiht dem passiven und unglücklichen Gunther stimmlich und darstellerisch Kontur, neigt schauspielerisch jedoch manchmal etwas zur Übertreibung. Die übrigen Rollen sind allesamt gut bis sehr gut besetzt, wobei vor allem Kathrin Göring als Waltraute zu nennen ist, die durch intensives Spiel und hervorragende Gesangstechnik begeistert. Als Rheintöchter kommen, wie auch schon im „Rheingold“, Magdalena Hinterdobler, Sandra Maxheimer und Sandra Janke zum Einsatz, die wie schon vor drei Tagen durchweg überzeugen können. Der Opernchor macht seine Sache ebenfalls sehr gut, hat allerdings manchmal mit dem Timing zu kämpfen.

Das Gewandhausorchester hat zum Abschluss einen guten Tag. Die Präzision im Zusammenspiel ist nicht immer optimal, was angesichts des zu bewältigenden Kraftakts aber vielleicht auch nicht erwartet werden kann; dafür lassen immer wieder schöne (Bläser-)Soli und ein wunderbar dunkler Streicherklang (Trauermarsch!) aufhorchen.

Als den Göttern nach insgesamt knapp 20 Stunden ihr selbstverschuldetes Ende heraufgedämmert ist und die Welt zu den Klängen des sogenannten „Erlösungsmotivs“ wieder zu einer Art Naturzustand zturückgefunden hat, ist die Begeisterung im Opernhaus groß. Und nicht nur der beträchtliche Applaus beweist, dass der Leipziger „Ring“ auch im Jahr 2020 noch gut in Schuss ist.

Fazit: Diese hörenswerte „Götterdämmerung“ ist leider nicht im gleichen Maße sehenswert, was dem nichtssagenden Bühnenbild und der uninspirierten Inszenierung geschuldet ist. So bleibt der Eindruck eines vor allem musikalisch empfehlenswerten „Rings“, der zwar szenisch seine starken Momente hat, dem aber zum Schluss leider die Ideen ausgehen.

Frank Sindermann

15., 16., 18., 19. Januar 2020
Oper Leipzig


Richard Wagner: „Der Ring des Nibelungen“ (zyklische Aufführung)

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