Siegfried

Nach der szenisch eher schwachen „Walküre“ weiß Rosamund Gilmores „Siegfried“ wieder von Anfang bis Ende zu überzeugen. Auch der Humor kehrt zurück, wenn sich der Drache Fafner als gelangweilter, völlig aus dem Leim gegangener Riese auf dem roten Sofa lümmelt oder Siegfried seine misslungenen Versuche im Instrumentalspiel mit Unmutsäußerungen kommentiert. Wie auch schon im „Rheingold“ greift Gilmore nicht eigenmächtig in die Handlung ein, sondern kommentiert diese allenfalls ironisch.

Dan Karlström liefert einen Mime auf höchstem Niveau ab. Neben seinen darstellerischen und sängerischen Qualitäten besticht vor allem die hervorragende Textverständlichkeit.

Dass Iain Paterson in allen drei Opern die Rolle des Wotan singt, ist an sich schon beeindruckend – die Verlässlichkeit und Qualität (von den leichteren Problemen im „Rheingold“ einmal abgesehen) erst recht. Allenfalls mangelt es ein wenig an darstellerischer Flexibilität; zumindest erscheint Wotan bei jedem Auftritt als die immergleiche resignative Figur, deren Vielschichtigkeit dabei etwas zu kurz kommt.

Rosamund Gilmores Siegfried ist als Figur alles andere als ein Held; die Regisseurin lässt ihn eher als aufmüpfigen Jugendlichen – oder eher noch: als störrisches Kind – erscheinen, dessen unbeholfene Bewegungen so gar nichts Heroisches an sich haben. Stimmlich besteht allerdings gar kein Zweifel daran, dass Siegfried ein strahlender Held ist. Stefan Vinkes kraftvoller Tenor bietet alles, was diese Rolle braucht, aber nur selten in diesem Maße bekommt: strahlende Höhe, Intonationssicherheit, Textverständlichkeit und eine unglaubliche Kondition. Selbst im großen Schlussduett klingt Vinkes Stimme noch völlig frisch und ermüdungsfrei. Eine Sternstunde des Wagner-Gesangs und der absolute Höhepunkt dieses „Rings“.

Als ernsthafter, bedrohlicher Alberich stellt Tuomas Pursio einen extremen Kontrast zu Kay Stiefermanns fast komödiantischer Interpretation dar und sorgt so für einen der größten Brüche innerhalb des Gesamt-„Rings“. Das spricht aber natürlich nicht gegen Pursios gelungene Alberich-Darstellung selbst.

Sandra Lommerzheim tanzt einen bezaubernden Waldvogel, dem Alina Adamski ihre ebenso bezaubernde Stimme leiht.

Das Gewandhausorchester wächst unter Ulf Schirmers erfahrener und inspirierender Leitung über sich hinaus und begeistert durch strahlende Tutti, makellose Bläser-Soli und höchste Konzentration. Ob Flötenzauber im „Waldweben“ oder Siegfrieds Hornruf – heute gelingt einfach alles.

Fazit: Im Gesamtbild stellt „Siegfried“ für mich den bisherigen Höhepunkt des Leipziger „Rings“ dar. Ein durchweg überzeugendes Regiekonzept und assoziative Bühnenbilder treffen an diesem Abend auf eine intensive musikalische Interpretation durch die Sängerinnen und Sänger. Herausragendes leistet vor allem Stefan Vinke.

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