Klaus Florian Vogt erklärt und singt im Gewandhaus Auszüge aus Wagner-Opern.
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Szenenentwurf für den 3. Akt der Oper Tannhäuser von Max und Otthold Brückner |
Moderierte Konzerte sind heute fast ausschließlich bei Familienprogrammen üblich – was schade ist, wie das heutige Konzert im Gewandhaus mit Startenor Klaus Florian Vogt beweist. Charmant und launig führt Vogt das Publikum durch die storytechnischen Verwicklungen der Wagner-Schnipsel und lockert dadurch nicht nur die oft sehr weihevolle Atmosphäre auf, sondern bietet einen echten inhaltlichen Mehrwert – zumindest für Wagner-Neulinge, die Programmheft und Einführungsveranstaltung ignoriert haben.
Nicht jeder Gag zündet beim Publikum, mal liefert Vogt ein vergessenes Detail nach, manche Aussagen zu den Operninhalten sind diskussionswürdig – dies ändert aber nichts an der insgesamt frischen Herangehensweise, zumal dadurch dem aus Opernhäppchen zusammengewürfelten Programm eine Art roter Faden hinzugefügt wird. Tannhäuser, Tristan, Walküre, Siegfried und Götterdämmerung in einem Konzert? Kann man machen, muss man aber nicht. Am Ende zählt ohnehin die musikalische Qualität, und die ist schlicht und einfach phänomenal.
Das Gewandhausorchester zeigt sich von seiner besten Seite und besticht durch wunderbar zarte und homogene Streicher (Tannhäuser-Ouvertüre), klangschöne Holzbläser (Waldweben) und strahlendes Blech (Götterdämmerung). Wunderbare Soli (Gundel Jannemann-Fischer mit ihrem betörenden Englischhorn-Solo von der Saalempore) treffen auf vollkommene Orchesterkultur. Andris Nelsons leitet das Orchester mit Sinn für Klang und Details, überdreht aber manchmal den Lautstärkepegel. Ein Wagner-Orchester auf dem Podium ist etwas anderes als ein ebensolches im Orchestergraben…
Star des Abends ist selbstverständlich Startenor Klaus Florian Vogt, über dessen Qualitäten als Wagner-Sänger unter Wagnerianern immer wieder diskutiert wird. Das heutige Konzert zeigt einen Tenor auf der Höhe seiner Kunst, ausgestattet mit einer zwar ungewöhnlich hellen, aber kraftvollen Stimme, die schmachtenden Liebesliedern (“Winterstürme wichen dem Wonnemond”) ebenso gerecht wird wie dramatischen Gefühlsausbrüchen (“Rom-Erzählung”). Vogt ist dabei nicht nur ein großartiger Sänger, sondern auch ein begnadeter Schauspieler, der die Emotionen der verkörperten Personen eindringlich darzustellen vermag.
Vogts eingestreute Erklärungen und Witzchen sorgen von Anfang an für einen direkten Draht zum Publikum – was für das Orchester nicht in gleichem Maße gilt. Leider wendet Andris Nelsons Vogt permanent den Rücken zu, was mitunter zu leichten Koordinationsproblemen führt. Offenbar versteht sich Vogt nicht nur im gemeinsamen Bühnenprogramm mit Harald Schmidt als Vermittler, sondern auch im Konzertsaal. Wenn der ehemalige Hornist selbst zum Instrument greift, um Siegfrieds Hornmotiv zu blasen und den gescheiterten ersten Versuch mit den Worten “Jetzt wissen Sie, warum ich Sänger werden wollte” quittiert, hat er die Lacher selbstredend auf seiner Seite.
Das Häppchenkonzept des Konzerts geht nicht immmer auf – im Tannhäuser besser als im Tristan, in der Walküre besser als in Siegfried – sorgt aber immerhin für Abwechslung und ermöglicht den Wagner-Skeptiker:innen im Publikum vielfältige Eindrücke. Besser gesungen wird man diese Musik derzeit jedenfalls nirgends hören können.
Ein Wagner-Abend der Extraklasse, unterhaltsam und bewegend zugleich.
Wertung:
Frank Sindermann