Alexander Shelley lässt im „Zauber der Musik“ Debussys Faun entspannt träumen, dreht dafür bei Brahms das Tempo auf; Gabriela Montero sprengt in Mozarts c-Moll-Klavierkonzert effektvoll den klassischen Rahmen.
Alexander Shelleys Dirigierstil kann man vielleicht am besten mit dem etwas altmodischen Wort „schneidig“ bezeichnen; mit schnellen, präzisen, beinahe zackigen Gesten teilt Shelley Phrasen in Takte und Takte in Schläge, ohne dabei aber die Musik zu zerhacken – am Ende fügt er das klar Gegliederte wieder zu einem organischen Ganzen zusammen. Das ist faszinierend zu beobachten und überzeugt heute Abend vor allem in Mozarts c-Moll-Klavierkonzert, in dessen Kopfsatz Shelley die dramatische Energie wunderbar kanalisiert und klar auf den Punkt bringt. Das MDR-Sinfonieorchester spielt unter seiner Leitung einen modernen, frischen Mozart, der stilistisch voll auf der Höhe der Zeit ist und mit schlankem, kernigem Klang begeistert.
Den Klavierpart spielt die venezolanische Pianistin Gabriela Montero, die vor allem für ihr Improvisationstalent, aber auch ihr politisches Engagement berühmt ist. Letzteres zeigt sich heute Abend, als Montero das Entrollen der venezolanischen Flagge im Zuschauerraum mit einem „Gefällt mir!“-Daumen honoriert, ersteres äußert sich vor allem in der virtuosen Solokadenz des ersten Satzes und in der Zugabe, die sie nach Zuruf aus dem Publikum über den Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ improvisiert.
Monteros lebhaftes, klar akzentuiertes Mozart-Spiel passt bestens zu Shelleys forscher Interpretation des Orchesterparts. Die Kommunikation zwischen Montero und Shelley funktioniert tadellos und trägt ihren Teil zum runden Gesamteindruck bei.
Der zu Beginn des Konzerts gespielte „Nachmittag eines Fauns“ weiß vom zauberhaften Flötensolo zu Anfang bis zum Verklingen des letzten Tons vollauf zu überzeugen. Shelley widersteht gekonnt der Versuchung, aus der komponierten Bewegungslosigkeit des Stücks auszubrechen und lässt die vielen klanglichen Farbnuancen in immer neuen Kombinationen aufleuchten und wieder verlöschen.
Nach der Pause gibt es dann Brahms’ zweite Sinfonie. Shelley scheint all jene Lügen strafen zu wollen, die seit der Uraufführung den pastoralen, frühlingshaft-freundlichen Ton der Sinfonie betonen, indem er nicht nur (zu) schnelle Tempi wählt, sondern auch die durchaus vorhandenen dramatischeren Passagen des Kopf- und Finalsatzes etwas einseitig in den Vordergrund rückt. Das Seitenthema des ersten Satzes wird so zur vernachlässigten Episode, die flüchtig vorüberhuscht. Dem gesamten Satz fehlt die nötige Luft zum Atmen, alles wirkt unangenehm gehetzt und hyperaktiv. Das ist vor allem deshalb schade, weil das MDR-Sinfonieorchester soviel Schönes anzubieten hat, vor allem die grandiosen Holzbläser. Selbst dem strahlenden Blechbläser-Jubel des Schlusssatzes scheint Shelley nicht zu trauen und bietet stattdessen schrilles Siegesgeschrei. Das ist nicht schön, aber effektvoll, wie der tosende Beifall beweist. Viel besser gelingen hingegen die Mittelsätze, vor allem das originelle Scherzo. Hier erweist sich Shelleys präzise, energische Schlagtechnik als das Mittel der Wahl.
Frank Sindermann
14. Oktober 2018
Gewandhaus, Großer Saal
MDR-Sinfonieorchester
Alexander Shelley, Dirigent
Gabriela Montero, Klavier