Louis Langrée dirigiert Werke von Dukas, Jongen und Franck. Sie kennen Joseph Jongen noch nicht? Dann wird es höchste Zeit!
Joseph Jongens „Symphonie concertante“ für Orgel und Orchester ist für mich persönlich die Neuentdeckung des Jahres. Originell, abwechslungsreich und stilistisch vielgestaltig zeigt sich jenes Werk, das der Belgier Jongen in den Jahren 1926/27 ursprünglich für eine riesige Kaufhausorgel in Philadelphia komponierte. Die enorme Virtuosität des Orgelparts ist vor diesem Hintergrund durchaus verständlich, ging es doch darum, die erweiterte Orgel möglichst effektvoll in Szene zu setzen. Dass Jongen damit den kompositorischen Anspruch trotzdem nicht über Bord geworfen hat, zeigt sich schon in den streng fugierten Eröffnungstakten. Auch darf die Orgel zwar immer wieder solistisch brillieren, wird aber meistens in den Orchestersatz integriert.
Gewandhausorganist Michael Schönheit erweist sich als wahrer Tasten- und Pedalzauberer, der nicht nur die technischen Herausforderungen souverän meistert (in manchen Fällen allerdings auch souverän umschifft), sondern vor allem die musikalischen Verläufe plausibel gestaltet. Dabei wird er dem feierlichen Ernst des ersten Satzes ebenso gerecht wie der vertrackten Rhythmik und Metrik des zweiten oder dem zarten Klangaquarell des dritten. In rasanten Perpetuum mobile der abschließenden Toccata zündet Michael Schönheit dann schließlich ein wahres Feuerwerk der Virtuosität, das einfach nur Spaß macht. Bravo!
Dass auch das Gewandhausorchester heute Abend in Topform ist, hat es bereits in Dukas‘ unverwüstlichem „Zauberlehrling“ bewiesen, der wohl auch dafür gesorgt haben dürfte, dass im Saal nicht noch mehr Sitze frei geblieben sind. Unter der zurückhaltenden, äußerlich eher unspektakulären Leitung des Gastdirigenten Louis Langrée bleibt das Orchester dem Klassik-Evergreen nichts schuldig und verzaubert mit großem Spielwitz und wunderbar getimten Einsätzen. Besonders gut gefällt mir heute jene Stelle, an der Kontrafagott und Bassklarinette kauzig schnarrend die Besen wieder auferstehen lassen. Auch die geheimnisvoll magische Atmosphäre des Beginns ist wunderbar getroffen.
Als drittes Werk steht heute César Francks D-Moll-Sinfonie auf dem Pogramm. Dass Louis Langrée dieses komplexe Werk auswendig dirigiert, zeigt seine Vertrautheit mit dieser Musik; davon wiederum profitiert die Aufführung ungemein. Selten habe ich den Kopfsatz zugleich so melodisch fließend und klanglich differenziert gehört; leider sind manche dynamischen Steigerungen etwas unausgewogen und erreichen ihren jeweiligen Höhepunkt zu früh, was das eigentliche Ziel der Entwicklung etwas seiner Wirkung beraubt. Der überaus kunstvoll angelegte Mittelsatz mit seinem berührenden Englischhorn-Solo lässt keinerlei Wünsche offen. Im festlichen Finalsatz gehen Klangzauber und musikalische Logik eine perfekte Symbiose ein und bilden so den gelungenen Abschluss eines in jeder Hinsicht bereichernden Konzerts. Eines frage ich mich jedoch am Ende: Kann man von Chromatik träumen? Ich werde es herausfinden.
Frank Sindermann
7. März 2019
Gewandhaus, Großer Saal
Gewandhausorchester
Louis Langrée, Dirigent
Michael Schönheit, Orgel