Mehr als Meer

Im „Zauber der Musik“ spielen Sinfonieorchester und Chor des MDR Musik von Ethel Smyth und Ralph Vaughan Williams.

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Der heutige „Zauber der Musik“ beginnt mit einem selten gespielten Werk – zu selten gespielt, könnte man sagen, denn die Ouvertüre zu Ethel Smyth‘ Oper „The Wreckers“ ist ebenso interessant wie effektvoll und findet nach dem Applaus zu urteilen beim Publikum großen Anklang. Zugleich dienen die technischen Schwierigkeiten des Werks den Musiker:innen des MDR-Sinfonieorchesters als ideale Vorbereitung auf das große, überaus anspruchsvolle Werk des Abends: Ralph Vaughan Williams‘ „Sea Symphony“, die das Meer im Namen trägt, in der es aber um weitaus mehr als das Meer geht.

Das Meer wird nämlich nicht im Sinne eines Naturbildes tonmalerisch nachgeahmt, sondern dienst als Metapher für die individuelle Lebensreise und die Reise der Menschheit auf der Suche nach neuen Ufern und dem Sinn des Lebens. Die tiefsinnigen Texte Walt Whitmans sind dem MDR-Rundfunkchor sowie Solo-Sopran und -Bariton anvertraut, die auf ganzer Linie überzeugen. Dirigent Dennis Russell-Davies entlockt dem Orchester wundervolle Farben und vereint strukturelle Klarheit mit dem nötigen „Zauber der Musik“-Glanz. Der Chor zeigt sich in Höchstform und wird den wechselnden, dabei stets hohen Anforderungen vollauf gerecht. Manchmal ist die Klangbalance zwischen Chor und Orchester nicht ideal, jedoch tritt dieses Problem zum Glück nur in besonders lauten Tutti-Passagen auf. Bariton Christopher Maltman überzeugt mit würdevoller Autorität und stimmlicher Durchsetzungskraft, Sopranistin Eleanor Lyons gestaltet klangschön und mit ergreifender Schlichtheit.

In berückender Stille endet diese durchweg beeindruckende Aufführung eines zentralen Werks der britischen Sinfonik – ein mehr als würdiger Beitrag zu Vaughn Williams‘ 150. Geburtstag.

Frank Sindermann

Hörtipp: https://youtu.be/2w4hHS5Ys2U

Sonntag, 8. Mai 2022
Gewandhaus, Großer Saal

MDR-Sinfonieorchester
MDR-Rundfunkchor
Christopher Maltman, Bariton
Eleanor Lyons, Sopran
Dennis Russell Davies, Dirigent